Interview mit Volker Mehl
Ich habe auf der Veggieworld 2016 in Wiesbaden Volker Mehl getroffen, den ayurvedischen “Star-Koch” aus Wuppertal. Es war mein erstes Interview und es hat tierisch Spaß gemacht mit Volker Mehl zu sprechen. Vorab hab ich mir natürlich seine Kochshow angeschaut, die er dort vor gut 100 bis 200 Vegetariern, Veganer, Rohköstlern und vielen Interessierten gehalten hat.
Ich flieg hier eh gleich wieder raus
Mit seiner zu Anfang geäußerten Vermutung, dass er gleich wieder rausfliegen würde, weil er behauptete, dass alle Nahrungsmittel vor allem warm und gekocht verzehrt werden sollten, lag er mehr als falsch. Obwohl er auch das Verzehren von tierischen Produkten nicht verteufelt, überhaupt verteufelt Volker Mehl nichts, haben die Zuschauer die Kochshow bis zum Schluss interessiert angeschaut. Volker Mehl kommt sehr undogmatisch mit seiner ayurvedischen Haltung daher und stößt so manchem Veganer/in und Rohköstler/in damit wahrscheinlich etwas vor den Kopf, allerdings so sanft, dass man ihm da nichts gegen halten kann. Ganz im Gegenteil: mit seiner sehr authentischen Art und seinen lockeren, geerdeten Sprüchen, kommt man eher ins Grübeln anstatt in den Widerstand zu gehen. Er lebt den Ayurveda durch und durch und holt diese doch für den Europäer sehr kompliziert wirkende Ernährungsform und Tradition mitten in die deutsche Gesellschaft und damit auf Deutschlands Teller.
Zusammenfassung des Interview
Im folgenden kannst Du nun die Zusammenfassung unseres wirklich sehr interessanten Interviews lesen.
Vegan macht keinen Sinn
Vegan macht keinen Sinn, denn grundsätzlich gilt, wenn Du etwas positives erreichen willst, solltest Du nicht die Scheiße über andere auskippen
Für Volker Mehl gilt grundsätzlich, dass nichts einen Sinn macht, wo man mit dem Finger auf andere zeigt und sich selbst mit seiner Lebenseinstellung auf eine höhere Stufe hebt. Deshalb betrachtet er Vegansein auch sehr skeptisch, denn häufig wird in der Szene der Fleisch-, Fisch- und Milchproduktekonsum verteufelt. Des Weiteren sieht Volker Mehl keinen Fortschritt darin, dass man sein Schnitzel gegen ein Gummischnitzel austauscht, denn wenn man z.B. den CO2-Abbruck vergleicht, ist der Unterschied nicht allzu groß.
Ayurveda ist keine Ideologie
Wenn man Volker Mehl über den Ayurveda und die ayurvedischen Prinzipien reden hört, dann fühlt man sich gut aufgehoben in dieser Küche und Lebensphilosophie. Die doch auf den ersten Blick so kompliziert wirkende Lebensweise, wirkt auf einmal ganz nah und scheint doch nicht so kompliziert zu sein. Laut Volker entspricht sie der Logik der Natur.
Er stellt auch noch einmal klar, dass vegan-sein und Rohkost nicht perse gesund sind. Wenn wir z.B. im Winter “eimerweise” Smoothies trinken, dann ist das für den Organismus, wie wenn man im Winter mit offenem Fenster Auto fährt- für das Verdauungsfeuer Agni bedeutet diese Fülle kalter, roher Lebensmittel eine riesige Anstrengung und Überforderung. Der Ayurveda arbeitet, so Mehl, auf der Eigenschaftsebene während wir uns im Westen noch auf der Ideologien- und Vitaminebene bewegen. Der entscheidende Unterschied zwischen der ayurvedischen Lebensweise und den westlichen Ernährungstrends ist, das der Ayurveda keine Ideologie ist, sondern auf eine Jahrtausende alte Tradition zurück geht. Übersetzt heißt Ayurveda soviel wie “Das Wissen des Lebens”. Das Wissen, dass dem Ayurveda zugrunde liegt, stammt aus uralten Beobachtungen und Erfahrungen in Bezug auf den Prinzipien der Natur und es bietet ein fundiertes Repertoire an wirkungsvollen Heilmethoden, die weit über die Ernährung hinaus reichen.
Exkurs →
Im Ayurveda werden die Kräfte, die aller lebendigen Materie zugrunde liegen in sogenannte Doshas eingeteilt (Vata, Pitta und Kapha). Jedes Dosha wirkt in allen Zellen, Geweben und Organen des Körpers, darüber hinaus auch in Geist und Seele. In jedem Menschen sind von Geburt an diese drei Doshas angelegt, variieren allerdings in ihrer Ausprägung. Befinden sich die Doshas im Gleichgewicht, dann bedeutet dies Gesundheit. Bei Störungen bzw. Krankheit befinden sich die Doshas im Ungleichgewicht.
Jeder Mensch hat also eine andere Verteilung der Kräfte und damit eine andere Dosha-Konstitution. Da scheint es auf den ersten Blick unmöglich, mehrere Personen an einen Tisch zu bekommen und für alle ein wohltuendes Menü zu zaubern.
Ayurveda unmöglich in der Familie ?
Volker Mehl sagt, wenn man mit der Familie zum Essen gemeinsam am Tisch sitzt, gehört zu einem bekömmlichen Mahl mehr dazu als nur die Verwendung gesunder Lebensmittel und die Wahl der richtigen Kombination von Gewürzen und Inhaltsstoffen (wie sie im Ayurveda üblich ist, um die Doshas in ihrer Funktion zu fördern oder abzumildern). Viel wichtiger ist die Energie zwischen den einzelnen Familienmitgliedern, allen voran den Eltern. Meistens wabern ungeklärte Konflikte und unerfüllte Bedürfnisse in der “Luft” herum, die die Stimmung und die Bekömmlichkeit des Essens negativ beeinflussen.
Es gilt aus ayurvedischer Sicht erst einmal für eine gute Stimmung zu sorgen und sich dann erst zum Essen zu versammeln. Dann, so Mehl, ist es auch nicht so entscheidend, was gegessen wird. Optimal wären saisonale, regionale, frische und frisch zubereitete Lebensmittel, damit hat man laut Volker Mehl schon die ayurvedischen Prinzipien mit in sein Essen integriert. Die unterschiedlichen Doshas der Familienmitglieder anzusprechen ist hier nicht so wichtig. Es ist viel entscheidender, dass alle 6 Geschmacksrichtungen (süß, sauer, salzig, scharf, bitter, herb) im Essen enthalten sind und das das Essen gekocht und warm ist. Das Verdauungsfeuer Agni ist der zentrale Punkt in der ayurvedischen Gesundheitslehre, deshalb werden auch grundsätzlich alle Speisen warm gegessen. So wird Agni optimal unterstützt.
Volker Mehl betont auch noch einen weiteren wichtigen Punkt im Ayurveda: das bewusste, achtsame Zusichnehmen der Speisen in einer dankbaren, hingebungsvollen Haltung und im Vorfeld das bewusste, achtsame und mit Liebe zubereitete Essen. Er zieht hier den Vergleich zu unserer christlichen Tradition vor dem Essen zu Beten, die leider heutzutage in den meisten Familienritualen verloren gegangen ist.
Wichtig im Familienalltag: Rituale
Die beste vegane Hafermilch bringt nichts, wenn man allein sitzt und vor dem Computer isst.
Volker Mehl empfiehlt Familien wieder zu dem zurückzugehen, was sie von früher schon wissen: es geht nichts darüber, alle gemeinsam an den Tisch zu bringen, eine gute Atmosphäre zu schaffen (also vor dem Essen Konflikte untereinander lösen) eine bewusste dankbare Haltung dem Essen gegenüber zu pflegen und eine frisch zubereitete Mahlzeit im Rahmen seiner Liebsten zu sich zu nehmen. Hier sind Regelmäßigkeit und Rituale wieder angesagt.
“Oldschool Dinger sind uncool, aber total heilend für die Seele” sagt Mehl, gerade für Kinder ist ein gute Struktur und regelmäßige Ruhezeiten besonders wichtig. Heute sind wir zu vielen Reizen ausgeliefert und vorallem die Kinder brauchen dadurch besonders im Familienalltag einen ruhigen, regelmäßigen Ablauf.
Ayurvedische Ernährung um zappelige Kinder zu beruhigen?
Es gibt heute viele Kinder, die sehr energiereich sind und diese Energien nicht gut kanalisieren können. Häufig zappeln sie rum und sind unkonzentriert. Volker Mehl kennt diese Symptome und schiebt sie auf den insgesamt unruhigen und immer schneller werdenden Alltag in den Familien, dazu haben die Kinder zu wenig Zeit für freies Spiel in der Natur und im Gegenzug dafür aber extrem viele Anforderungen, wie Schule, Förderprogramme, Sport, Musik etc. etc. Diese oben beschriebene Thematik ist ein Problem auf vielen Ebenen und lässt sich nur mit der Ernährung alleine nicht lösen, das ist Volker Mehl ganz klar. Auch das es sich um ein sehr komplexes “Problem” handelt und individuell betrachtet werden muss.
Allerdings gibt Volker Mehl einige Tipps, die so manch einem Kind helfen könnten wieder etwas mehr ins Gleichgewicht zu kommen ( und allen voran die Eltern 😉 ):
- eine ruhige, “gesunde” Atmosphäre beim Essen (s.o.)
- süße, warme Breie (Haferbrei o.ä.)- wirken erdend
- nicht zu viel Abwechslung beim Essen
- die Reize in der Freizeit minimieren (Förderprogramme, Medienkonsum!)
- ausreichend Bewegung in der freien Natur
- mehr Struktur in den Alltag bringen
- für ausreichend Ruhe sorgen
Abschließend ist noch zu sagen, dass Volker Mehl selbst zu 80 % Vegetarier ist, auch viel vegan isst, aber manchmal, wenn sein Körper danach verlangt, sich bewusst und mit einer dankbaren Haltung einen Fisch schmecken lässt. Ihm ist es besonders wichtig, die Speisen mit voller Aufmerksamkeit und in Dankbarkeit zu zubereiten und sie in derselben Haltung zu verzehren. Das Tischgebet gehört für Volker Mehl, dem Sohn eines Küsters, von klein an zum Essen dazu und entspricht der Segnung und Danksagung des Essens im Ayurveda.
Was Volker Mehl im Ayurveda besonders schätzt, ist, dass die ayurvedischen Schriften nie dogmatisch geschrieben sind und mit erhobenem Zeigefinger, sondern eher “in der Sprache eines liebenden Vaters, der genau weiß, dass sein Sohn sich stets bemüht, aber auch weiß, dass manchmal etwas daneben geht- wie ein Mensch eben ist”!
Sein Lieblingsspruch lautet:
“Ein glücklicher Mensch definiert sich immer darüber, dass er eine Zufriedenheit aus dem momentanen Tun erfährt und einen Sinn für die Zukunft sieht”.
Vielen Dank Volker Mehl für dieses sehr interessante Interview 🙂
Weiterführende Links zu Volker Mehl:
Webseite: http://www.volker-mehl.de/
Facebook: https://www.facebook.com/Volker-Mehl-Koch-dich-gl%C3%BCcklich-mit-Ayurveda-112718245467178/
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